Gesamttiroler Museumstag im Zeichen gesellschaftlicher Vielfalt
“Zugehörigkeit. Vielfalt. Identität. Präsenz gesellschaftlicher Mehrstimmigkeit in Museen” lautet der Titel des Gesamttiroler Museumstags 2013, der am 4. Oktober in der Hofburg in Innsbruck stattgefunden hat.
Dass das Thema Identität und Zugehörigkeit, aber auch gesellschaftliche Vielfalt auch in der Museumsfachwelt auf großes Interesse stößt, zeigt der starke Andrang zum diesjährigen Museumstag der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino. Zur zweisprachigen Tagung sind über 180 TeilnehmerInnen aus allen drei Ländern in den Riesensaal der Innsbrucker Hofburg gekommen.Nach der Einführung durch Beate Palfrader Landesrätin für Kultur und Bildung –Land Tirol, Sabina Kasslatter Mur Landesrätin für Bildung und deutsche Kultur – Autonome Provinz Bozen – Südtirol, sowie durch den Trentiner Landeshauptmann Alberto Pacher beleuchteten in den beiden Hauptvorträgen die österreichische Journalistin und Herausgeberin Barbara Coudenhove-Kalergi und die österreichische Historikerin und Judaistin Eva Grabherr aus persönlich-biografischem und beruflich-erfahrenem Blickwinkel das Themenspektrum für die Museumsfachwelt.
Am Nachmittag besuchen die TeilnehmerInnen verschiedene Workshops in Innsbrucker Museen und Galerien sowie in der Kulturbackstube “Die Bäckerei”. Dabei beschäftigen sie sich mit Fragen der Vermittlung der kulturellen Vielfalt in Museen oder mit aktuellen Museumsprojekten zu den Themen Migration und Partizipation.
„Migration und Partizipation: Projekte, Strategien, Herausforderungen“ Workshop mit Beiträge von der Projekte Open City Museum und Sparkling Science-Projekt – Spurensuche: Hall in Bewegung
Kunstkuratorin Martha Jiménez Rosano und der Künstler Giovanni Melillo Kostner stellten das Interkulturelle Kunstprojekt Open City Museum in der Kulturbackstube Die Bäckerei vor. Die 2011 in Südtirol gegründete Initiative bezieht die Menschen in die Ausstellungsprojekte mit ein, wo die Auseinandersetzung mit Kunst neue Denkanstöße bringt, die den Gemeinschaftssinn, auch pluralen Gesellschaften fördern.
Sie haben von Vorgehensweise und Erfahrungen in Bezug auf das im Rahmen des 3º Festivals der Zeitgenössische Widerstände (Festival delle Resistenze contemporanee) vom italienischen Landeskulturressort des Autonome Provinz Bozen – Südtirol entstandene arts based community development Projekt „ Common portraits of diversity” erwähnt.
„Common portraits of diversity“ ist ein Dialog zwischen den alteingesessenen Bürgern des Bozner Arbeiterstadtviertels Oberau und den neuen, aus allen Ecken der Welt dazu gewanderten Einwohnern: in einer Ausstellung im öffentlicher Raum wurden Porträts aus den Sechziger bis früheren Siebzigerjahren aus dem Archiv des Bozner Fotografen Aligi Cainelli präsentiert, zusammen mit den neuen Bilder des Brixner Fotografen Giovanni Melillo Kostner. Die Ausstellung ist durch die Mitarbeit mit den Bewohnern von Oberau zustande gekommen, da „die aktive Beteiligung von Menschen bei der Entstehung eines Kunstwerks ein wesentlicher Teil der Interventionen in den sozialen Prozess der Kultur ist“ (S. Willats,1996).
Martha Jiménez Rosano hat betont, dass die Form und die Bedeutung der Beteiligungsprozessen unterscheiden sich in ihren Vorstellungen von „Gemeinschaft“ und ihren Kriterien für soziale Relevanz. Ist die Community als präexistent und wohldefinierte gesehen? Sollte man ihr feststehende Identität zuzuschreiben? Oder ist Gemeinschaft ein temporäres Phänomen mit Entwicklungspotential?
Das vom österreichischen Wissenschaftsministerium geförderte „Sparkling Science“-Projekt „Spurensuche: Hall in Bewegung. Feldforschung und Ausstellung zur Arbeitsmigration in Hall und Umgebung (1960er Jahre bis heute)“ wurde von Prof. Dirk Rupnow Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck,Verena Sauermann und Veronika Settele von Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck vorgestellt.
Das Projekt verfolgt Partizipation auf zwei Ebenen: Mit SchülerInnen unterschiedlichen Alters und Schultyps wird auf Augenhöhe geschichtswissenschaftlich geforscht, daneben werden die Inhalte einer Ausstellung gemeinsam mit den BewohnerInnen und Institutionen der Stadt Hall in Tirol verhandelt. Die politische Dimension des Themas Migration in Österreich, das im aktuellen Mediendiskurs in erster Linie als „Problem“ präsent ist, beeinflusst die Projektarbeit stark: Es ist eine große Herausforderung, die bisher nicht erzählte Migrationsgeschichte einer Kleinstadt jenseits von Integrationsimperativen sichtbar und erzählbar zu machen. Die Zusammenarbeit war inspirierend, beide Projekte und auch das interessierte Publikum profitierten von gegenseitigen Impulsen. In dem Workshop fand wirklicher inhaltlicher Austausch statt, Chancen und Fallstricke partizipativer Ausstellungsstrategien in einer Migrationsgesellschaft wurden diskutiert.
Der Gesamttiroler Museumstag wird vom EVTZ Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino koordiniert und von einer Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Landesverwaltungen und der Museen der drei Länder beraten.
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